Die Letzten werden die Ersten sein!

An die Corona-bedingt seit Wiederaufnahme der Probetätigkeit regelmäßig oben in der großen Rheinhalle stattfindenden Proben haben sich die Musikerinnen und Musiker des Musikvereins 1929 Ketsch inzwischen schon gewöhnt, auch wenn es für viele Musiker immer wieder überraschend ist, an welcher Stelle und in welcher Ausrichtung – sei es aus akustischen Gründen oder weil die Tische und Stühle für die ebenfalls in der Rheinhalle stattfindenden Gemeinderatssitzungen in der Halle stehen – jeweils am Freitagabend aufgebaut wird. Das Jugendorchester beginnt den „Probe-Reigen“ und Jugenddirigentin Lea Koch und „der Neue im Team“, Lukas Schilling, hatten sich am vergangenen Freitag dafür entschieden, das Schlagzeug vor der Bühne der Rheinhalle zu platzieren. Die Musiker bauten daher unter Beachtung der notwendigen Corona-Abstände entsprechend auf und richteten sich – innerhalb des Tisch-Karrees der Gemeinderatssitzung – zum Eingang der Rheinhalle hin aus.

Bereits im Vorfeld war bekannt, dass aus krankheits- bzw. aus terminlichen Gründen am Freitagabend keiner der Dirigenten des Gesamtorchesters des Musikvereins 1929 Ketsch zur Verfügung stehen würde. Vorstand und Musikerschaft waren sich jedoch einig, dass nach den Corona-bedingten Monaten ohne Probetätigkeit keine Möglichkeit, das gemeinsame Zusammenspiel wieder zu üben, ausfallen sollte. Schon zu Beginn war aber auch klar, dass es aufgrund der großen Abstände zwischen den Musikern „vorne“ jemanden braucht, an dem sich die Musiker orientieren können. Aber warum eigentlich vorne? Und so ergriff die 2. Vorsitzende und Schlagzeugerin Nina Zorn die Initiative und übernahm das Einzählen, was sich aus der letzten Reihe jedoch gar nicht so einfach gestaltete. „Könnt ihr euch vielleicht alle zu mir umdrehen?“ war schnell eine Lösung gefunden. So kam es, dass die Tuben plötzlich in der ersten Reihe und die Klarinetten und Flöten ganz hinten saßen. Ausgerichtet auf das Schlagzeug konnte Zorn damit einerseits den Musikern die notwendigen Einsätze geben und andererseits zugleich auch noch selbst das Schlagzeug spielen. „Nun klappt das gleich viel besser“, freute sich Zorn.

Etwas ungewohnt: Eine Probe ohne Dirigent mit Ausrichtung auf die 2. Vorsitzende und Schlagzeugerin Nina Zorn, die den Musikern den Takt und die Einsätze vorgibt. – Foto: Musikverein 1929 Ketsch

Und so wurde die Probe vor allem dazu genutzt, das eine oder andere „vergessene Stück“ herauszuholen und anzuspielen. Was gerade langjährige Musiker oft nicht beachten, ist die stetige Fluktuation, die in einem großen Orchester immer besteht: Viele „alte, bekannte Stücke“ haben die neuen Musikerinnen und Musiker im Orchester nämlich vorher noch nie gesehen und müssen sie dann plötzlich „vom Blatt“ spielen. Im Rahmen der heutigen Instrumental-Ausbildung aber wird das „Vom-Blatt-Spielen“ oft nicht mehr vermittelt. Dabei sind die Noten selbst meist gar nicht das Problem. Der Musiker muss aber wissen, worauf es wesentlich ankommt: Welche Struktur hat das Werk? Wo sind Wiederholungen oder Sprünge? Gibt es Vorzeichenwechsel? … – Zahlreiche Musiker lernen das erst im Orchester, zum Glück meist an der Seite erfahrener Musiker. „Gemeinsam anfangen und gemeinsam aufhören“ ist ein typischer Musikerspruch. Einer der „alten Hasen“ ist Stefan Schneider, seit vielen Jahren 1. Klarinettist. „Dass mein Musikerkollege Christian (Scholz) der mit Abstand beste Klarinettist im Verein ist, steht außer Frage. – Trotzdem lassen sie mich weiter am ersten Pult mitspielen – denn ich komme immer irgendwie durch“, sagt Schneider mit einem Lachen. Und dieses Wissen gibt Schneider an die sehr gut ausgebildeten jungen Musikerinnen und Musiker weiter: „Wenn man an einer Stelle die Klarinette hören soll, dann musst Du etwas spielen! Aufhören, nur weil man meint, es nicht richtig zu können oder falsche Töne zu spielen, geht nicht.“ as