Wenn die Musikerinnen und Musiker des Musikvereins 1929 Ketsch am Freitagabend in der Rheinhalle proben, dann ist das durch die geöffneten Fenster auch im Bruch am Spielplatz und entlang des Rheindamms gut zu hören. Seit einiger Zeit haben Chef-Dirigent Patrick Wewel und seine Musiker vermehrt mit ungebetene Besuchern zu kämpfen. Dabei handelt es sich allerdings
nicht etwa um musikbegeisterte Zuhörer (der Zutritt zu den Proben ist nur den angemeldeten Musikern erlaubt; zudem gilt hierbei „3G“), sondern um kleine Plagegeister, die den direkten Weg in die Rheinhalle durch die geöffneten Fenster nehmen. Die Nähe zum Altrhein und zur Ketscher Rheininsel macht sich hier deutlich bemerkbar: Viele Schnaken sind besonders in den frühen Abendstunden unterwegs und werden zusätzlich vom Licht in der Rheinhalle angelockt. Das hat gelegentlich auch Folgen für den Ablauf der Proben. „Eigentlich ist jedem Musiker klar, dass meine Hand bei der „1“ immer unten ist, wenn ich dirigiere. Aber wenn ich schnell einmal eine angreifende Schnake erlegen muss, dann kann ich natürlich nicht bis zur „1“ warten!“, lacht Wewel. Als Entschuldigung für falsche Einsätze akzeptiert Wewel dies allerdings nicht: „Ich freue mich ja, wenn die Musiker so aufmerksam nach vorne schauen und auf mein Dirigat achten. Aber wenn ein Stück im Vier-Viertel-Takt steht, was jeder Musiker aus seinen eigenen Noten ersehen kann, dann folgt auf „2 und“ selbstverständlich nicht plötzlich und unerwartet die „1“ – wer das glaubt, der hat wohl schon vorher die Orientierung verloren.“ Andererseits zeigt Wewel auch Verständnis, wenn etwa der 1. Trompeter das über fünf Takte gehaltene hohe „g“ am Ende des dritten Taktes abbricht, weil die ihn seit langem umkreisende Schnake zum Angriff übergegangen ist. Und wie es verschiedene musikalische Register mit ihren spezifischen Eigenheiten gibt, so gibt es auch in der Schnaken-Frage verschiedene Fraktionen. „Autan“ und „Anti-Brumm“ sind die größten Gruppen; daneben gibt es Anwender eigener Hausmittel und Musiker, die sehr gelassen überhaupt nichts machen (die aber offenbar – warum auch immer – selten attackiert werden).
Früher war alles besser? Nun, einige „Alt-Ketscher“ unter den Musikern im Musikverein 1929 Ketsch können den jüngeren Musikerinnen und Musikern noch berichten, wie es früher war, also zuZeiten, in denen es die „KABS – Kommunale Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage“ noch nicht gab. Da gab es je nach Witterung und Überschwemmungslage bessere und schlechtere Jahre; doch selbst in den besseren Jahren gab es regelmäßig viel mehr Schnaken als heute.
Für Chef-Dirigent Wewel ist die Sache klar: „Freuen wir uns, dass wir wieder proben und Musik machen können! Da lassen wir uns auch von ein paar Schnaken nicht von abbringen. as